Purkersdorf - Geschichte und Zukunft eines Ortes im Nahbereich der Großstadt

Von Mag. Dr. Christian Matzka - Vizebürgermeister a.D., Kustos des Stadtmuseums

Wandern kulturhistorisch interessierte Besucher:innen durch die heutige Wienerwaldstadt Purkersdorf, dann begegnen diese auf Schritt und Tritt der internationalen, nationalen und lokalen Geschichte.

Die Bedeutung Purkersdorfs als regionaler, zentraler Ort ergibt sich aus der Lage an dem Zusammenfluss von Wienfluss und Gablitzbach, der zentralen Lage im westlichen Wienerwald, der Lage an der Kreuzung von zwei Reichsstraßen, der teilweise zweifelhaften direkten Anbindung der Stadtmitte an die Eisenbahn und der relativ geringen Entfernung von der Stadtmitte Wiens, die zur Entwicklung der Sommerfrische und des Wohnvorortes führte. 

Transitort der Weltgeschichte

Als Transitort der Weltgeschichte, sichtbar durch die ehemalige Poststation am Hauptplatz, bekam Purkersdorf internationale und welthistorische Bedeutung. Alle berühmten und wichtigen Personen, die von Wien nach Westen oder nach Wien reisten, mussten in Purkersdorf Station machen, da hier die Pferde gewechselt wurden. Das Mauthaus am Hauptplatz mit dem Meilenstein ist Zeugnis dieser Zeit. Marie Antoinette und Marie Luise fuhren durch Purkersdorf zur Hochzeit nach Paris, Papst Pius VI. segnete die Bevölkerung am Hauptplatz, Wolfgang A. Mozart begleitete seinen Vater Leopold Mozart 1785 bis Purkersdorf. Am Hauptplatz sahen sich Vater und Sohn zum letzten Mal in ihrem Leben. Napoleon I. verbrachte eine Nacht in Purkersdorf, und das Empfangskomitee des Wiener Kongresses hatte in Purkersdorf seinen Sitz. 

Erst der Bau der Eisenbahn ließ die Purkersdorfer:innen zu winkenden Zaungästen der Geschichte werden. Das Automobilzeitalter brachte kurzfristig wieder überregionalen Verkehr in den Ort. Am 14. März 1938 wurde auch in Purkersdorf Adolf Hitler jubelnd empfangen und schloss damit zweifelhaft an die Tradition des Ortes an. Die Purkersdorfer:innen waren laut Chronik bekannt dafür, dass sie gerne den berühmten Transitreisenden zujubelten.

Zentrum der Waldverwaltung

Nach dem Bau der Autobahn blieb Purkersdorf der regionale Verkehr, der das Stadtzentrum schwer belastete. Die Unternehmensleitung der Österreichischen Bundesforste kehrte an die Anfänge des Unternehmens in den Purkersdorfer Schlosspark zurück. Die kaiserliche Waldverwaltung hatte bis zur Zeit Maria Theresias ihren Sitz im Purkersdorfer Schloss und war damit das Zentrum des Wienerwaldes. Heute wird von Purkersdorf aus zehn Prozent der österreichischen Staatsfläche verwaltet. Die gute Zusammenarbeit zwischen Stadtgemeinde und Bundesforste Iässt das historische grundherrschaftliche Verhältnis vergessen und eröffnet vielfältige Möglichkeiten der wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit.

Aufschwung als Tourismusort

Großen Aufschwung nahm Purkersdorf nach dem Bau der Westbahn in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Bevölkerung und die Häuserzahl stiegen rasant an, Wiesen wurden parzelliert und die lokale Landwirtschaft wurde von Tourismusunternehmen, Sommervillen und Dienstleistungsbetrieben verdrängt. Purkersdorf wurde zu einem bedeutenden Tourismusort mit einer Winter- und Sommersaison, in dem Künstler wie Anton Wildgans, Emmerich Kalman oder Edmund Eysler ihren Urlaub verbrachten.

Der Weg in die Gegenwart und Zukunft zeigt die Entwicklung zu einem beliebten Freizeitort in der Nähe der Großstadt. Laufrouten, Mountainbikerouten, Themenwege, Naturpark oder Wienerwaldbad sind anerkannte Einrichtungen der modernen Freizeitwirtschaft. Viele Menschen wählen Purkersdorf als Wohnsitz und genießen die Nähe des Wienerwaldes und die urbane Anbindung an die Weltstadt. Künstler wie Rudi Dolezal, Gerold Rudle oder Monika Weinzettl tanken Kraft in der Wienerwaldstadt für die Aufgaben in der großen, weiten Welt.

Entwicklung einer Purkersdorfer Identität

Die im neunzehnten Jahrhundert begonnene Entwicklung als Wohnvorort vor Wien ist heute ein Mehrwert, der von den meisten Purkersdorfer:innen akzeptiert und gelebt wird, aber auch ständiges Thema der Stadtplanungspolitik ist. Die Definition als Stadt mit einem selbstständigen Kultur-, Gesellschafts- und Wirtschaftsleben neben der Weltstadt Wien bildet eine große Herausforderung für die Stadtpolitik. 

Nach der Eingemeindung zu Wien zwischen den Jahren 1938 und 1954 musste Purkersdorf infrastrukturell, wirtschaftlich, gesellschaftlich und kulturell neu aufgebaut werden. Zum Beispiel der Bau von Wohnungen, Abwasserkanal, Wasserleitung, Sportplatz, Wienerwaldbad, Volksschule, Gymnasium, Umbau des Stadtzentrums mit Hauptplatzumfahrung, Fußgängerzone und Stadtsaal, Ärztezentrum, Seniorenbetreuung, Revitalisierung des Sanatoriums und die Ansiedelung der Unternehmensleitung der Österreichischen Bundesforste zeigen die in den letzten Jahrzehnten seit der Stadterhebung im Jahre 1967 durchgeführte Aufbauarbeit. Die Entwicklung einer Purkersdorfer Identität, die Neugründung von vielen Vereinen, ein blühendes Kulturleben, das von vielen Purkersdorfer:innen mitgetragen wird, sind Kennzeichen des Selbstbewusstseins der Wienerwaldstadt. 

Herausforderungen für die Zukunft

Für die Zukunft gilt es, die hohe Lebensqualität in Purkersdorf zu sichern und weiter auszubauen. Dabei ist sicherlich ein Ziel, die verbesserte Anbindung an das Wiener öffentliche Verkehrsnetz zu erreichen, aber auch die Verbindung in Richtung St. Pölten und Tulln zu verbessern. Eine große Herausforderung an die Stadtplanung stellt die Frage der frei werdenden Flächen der Österreichischen Bundesbahnen im Bereich des Bahnhofes Unter-Purkersdorf dar. Damit eröffnet sich die Chance für einen neuen Stadtteil mit Wohnungen, Wirtschaftsunternehmen, Bildungs- und Freizeiteinrichtungen. Dabei muss wieder die Verbindung der lebenswerten Wienerwaldstadt im Grünen mit den Vorteilen der Weltstadt in der Nachbarschaft im Zentrum der Stadtplanung stehen. 

Die Besinnung auf historisch gewachsene Strukturen und die Verbindung mit den gegenwärtigen Entwicklungen wird den Weg in die Zukunft weisen. Veränderungen müssen stattfinden, aber behutsam im Sinne einer An- und Einbindung an und von bewährten Traditionen. 

Mag. Dr. Christian Matzka - Vizebürgermeister a.D., Kustos des Stadtmuseums